wolf-dieter storl – mit der natur in einklang leben

er ist ein mensch, der pflanzen, landschaften und sterne als „beseelte wesen“ wahrnimmt. vor allem aber höre er auf die tiere. „sie sind weiser als wir menschen, weil sie sich nicht in einem labyrinth aus gedanken verirren“, sagt wolf-dieter storl. immer wieder begibt sich storl auf die jagd nach wahrnehmungen, die jenseits der rationalität liegen. für ihn gehört alles zur realität, auch das, was man nicht mit den fünf sinnen erfassen kann. sein kompass sitzt nicht im kopf, er folgt seiner intuition.
storlstorl1
der 71-jährige selbstversorger und kräuterexperte wolf-dieter storl lebt mit seiner frau, seiner tochter und zwei hunden auf einem kunterbunten hof auf knapp 1000 meter höhe. von den almen rundum ist das bimmeln der kuhglocken zu hören, weiter unten im wald rumoren baumfäller mit schwerem gerät herum. wolf-dieter storl geht mit einem korb durch seinen dschungelartigen garten, pflückt hier eine tomate, schneidet dort eine zucchini in der grösse eines baseballschlägers ab.

im november 1988 mietet wolf-dieter storl mit seiner amerikanischen frau christine den uralten bauernhof. anfangs schläft das ehepaar auf stroh und ernährt sich von dem, was in der umgebung wächst. die dtorls besitzen kein auto, dafür einen kräftigen hund. bei neuschnee wird sumo vorausgeschickt, um eine schneise für frauchen und herrchen zu pflügen. hier oben kann er walten, wie es ihm entspricht. er lebt im rhythmus der natur. im sommer hält er vorträge, veranstaltet seminare, hackt holz und gräbt den garten um. nach allerheiligen zieht er sich wie ein bär in seine höhle zurück, um seine gedanken über heilkräuter und gottheiten auf einer mechanischen schreibmaschine zu erfassen.

wolf-dieter storl ist nicht nur ein gartenfreak mit schier unendlichem fachwissen, er ist auch kulturanthropologe und ethnobiologe. das sind wissenschaftler, die pflanzen in bezug auf ihre verwendung durch den menschen untersuchen. bevor storl sich im allgäu niederliess, erforschte er weltweit den medizinischen oder rituellen einsatz bestimmter pflanzen.

Wolf-Dieter Storl: “Zwischen   den  Mais-Soja-Wüsten  sieht  man  hier  und   da   die verlassenen, eingefallenen Häuser und Scheunen der einstigen Familienfarmen – das heißt, wenn sie schon nicht planiert waren, um den Monstermaschinen freien Manövrierraum zu lassen. Die einst blühenden kleinen Ortschaften – die ich noch aus meiner Jugend kannte – verwandeln sich in Geisterstädte. Wo einst Gaststätten, Geschäfte, Werkstätte, Läden und Kinos gediehen, bleiben nur noch grell beleuchtete Tankstellen und Fast-Food-Restaurants. Konzerne haben die Macht an sich gerissen. Sie beherrschen zunehmend die Politik, die Medien, die Erziehung. Die Bevölkerung, abgelenkt und unten gehalten durch endlose Unterhaltung, scheint diesen neuzeitlichen Feudalismus kaum wahrzunehmen. In Europa ist diese Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten, aber wir sind auf dem besten Weg dorthin.

Das Heim, in dem die Oma – im Rollstuhl, aber geistig fit – nun wohnt, gehört zu einer Pflegekette, ein Milliardenunternehmen mit Niederlassungen in mehreren Bundesstaaten. Er ist ein gewinnorientierter Konzern, wie etwa MacDonalds oder Wal-Markt, der sich auf Massenhaltung von Alten spezialisiert hat. Statt Rinder, Hühner oder Schweine, eben alte Menschen.”